"Der Mensch steht immer im Vordergrund."

Noah Weber, 18, und Jan-Kimi Wedhorn 20, stehen kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zum Pflegefachmann am St. Nikolaus-Stiftshospital in Andernach. Mit ihrer Ausbildungsklasse gewannen sie 2023 den BGW Nachwuchspreis für ihr Projekt „Color us healthy!“. Mit BGW young sprechen sie darüber, wie wichtig Vielfalt in der Pflege ist, was sie an dem Beruf begeistert und wie sie dabei gesund bleiben. 

Porträt von Jan-Kimi Wedhorn

Jan-Kimi Wedhorn, 20, genannt Kimi, ist angehender Pflegefachmann...

Porträt von Noah Weber

...ebenso wie Noah Weber, 18. Die beiden absolvieren gemeinsam ihre Ausbildung.

Was gefällt euch an eurem Beruf und eurer Ausbildung? 

Jan Kimi Wedhorn: Die Nähe zu den Menschen und dass es keine Akkordarbeit ist, wie im Büro. Der Beruf ist vielfältig bis zum Gehtnichtmehr: Jeden Tag gibt es etwas Neues, an dem man Spaß hat. 

Noah Weber: Ich wollte schon immer was mit Menschen machen und es ist schön zu sehen, wie ich Menschen mit der kleinsten Geste helfen und ihnen den Aufenthalt verschönern kann. Man kann sich miteinander freuen und man sieht, wie gut es den Menschen tut. Ich sehe jeden Tag was Neues, lerne jeden Tag was Neues und denke, dass es auch in Zukunft so weitergeht.

Wie stellt ihr euch eure berufliche Zukunft vor?

Kimi: Wir werden nach dem Examen beide in dem Krankenhaus übernommen, wo wir unsere Ausbildung gemacht haben. Ansonsten lasse ich mich vom Leben überraschen und freue mich darauf, immer mehr dazuzulernen. Die stetige Weiterbildung macht den Beruf für mich dauerhaft interessant.

Noah: Ich möchte lange im Beruf bleiben und weiter Spaß daran haben. Erst mal geht es für mich in die Notaufnahme. Ich bin auch gerade erst 18 Jahre alt: Die ganze Welt steht für mich noch offen. Aber erst mal möchte ich hierbleiben, mehr dazulernen und schauen, wie es so ist. 

Erzählt uns doch ein bisschen, was in eurem Job wichtig ist. Mit welchen Menschen, Themen, Aufgaben habt ihr zu tun?

Kimi: Kommunikation ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Leider muss es in der Pflege immer schnell gehen. Nähe und Empathie mit den Patientinnen und Patienten und dabei seine eigenen Grenzen zu setzen ist ganz wichtig. Wenn man das beherrscht, ist man in dem Beruf auf jeden Fall gut aufgestellt. 

Noah: Von der Geburt bis zum Tod betreuen wir Menschen in jeder Lebensspanne. Das ist auch schon eine Herausforderung, wir machen in der Ausbildung alles durch, was geht. Geburten sind wunderschön, das Glück der Eltern, wenn das Kind frisch auf der Welt ist. Aber natürlich ist es auch hart, wenn man Leidensgänge miterlebt, die nicht gut ausgehen. Auf der Palliativstation muss man abgehärtet sein und gleichzeitig super empathisch, um für die Leute da zu sein. Aber man muss sich auch distanzieren, um das privat auszuhalten. 

Welchen Herausforderungen seid ihr noch begegnet und wie geht ihr damit um?

Kimi: Jeder Tag ist immer wieder eine neue Herausforderung, weil immer was Neues passiert. Man muss es verarbeiten können, damit man die Sachen nicht mit nach Hause nimmt. Mir hilft es, nach der Arbeit Sport zu machen und mit meiner Familie zu reden. 

Noah: Ja, mit der Familie und Freundinnen und Freunden zu sprechen hilft, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen. Wenn ich eine negative Situation erlebt habe, hilft es mir, direkt darüber zu sprechen. Dazu kommen Hobbys und Freizeit, um den Kopf freizubekommen.

Mir ist es wichtig, bei meiner Arbeit auch mit den Leuten zu sprechen und mit ihnen Witze zu machen.

Jan-Kimi Wedhorn
angehender Pflegefachmann

Was macht euch besonders viel Spaß?

Noah: Es gibt immer schöne Momente: Patientinnen und Patienten, die trotz Krankenhausaufenthalt gut gelaunt sind und singend über die Station laufen. Menschen im Langzeitbereich oder im Seniorenzentrum, mit denen man Witze machen kann, Spiele spielt und denen ich den Alltag leichter machen kann. Das ist das, was wir gerne mehr machen würden, aber was zeitlich leider schwierig ist. Ich freue mich dann, wenn es möglich ist.  

Kimi: Ich kann da nur zustimmen. Ich bin ein Typ, der viel auf Kommunikation Wert legt. Mir ist es wichtig, bei meiner Arbeit auch mit den Leuten zu sprechen und mit ihnen Witze zu machen. Mir auch die Zeit zu nehmen, mit den Patientinnen und Patienten zu reden, ihnen Last abzunehmen und einen Moment zu geben, in dem sie sich mal ausreden und nach vorn schauen können. Die Psyche spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Heilung. 

Wobei wünscht ihr euch in eurem Beruf noch mehr Unterstützung?

Noah: Von außerhalb und von der Politik wünsche ich mir mehr Unterstützung und mehr Anerkennung. Es wird immer besser, aber so richtig gut ist die Situation immer noch nicht. Für die Arbeit, die wir ab dem ersten Lehrjahr schon leisten, bekommen wir zu wenig Unterstützung. Der Beruf ist wunderschön und ich empfehle ihn jeder Person, die fragt. Deshalb muss da dringend etwas gemacht werden, damit die Situation in den kommenden Jahren nicht noch schlimmer wird. 

Kimi: Den Pflegenotstand merken wir in der Ausbildung sehr stark: Dass Leute fehlen und dass es schwierig ist, eine gute Anleitung hinzubekommen, weil die Anleitenden in die Praxis müssen. Man springt viel ein, weil man die anderen nicht alleine lassen kann und will. Viel Anerkennung bekommen wir schon, aber die Situation im Krankenhaus ändert sich trotzdem nicht.  

Was ist euch in Hinblick auf eure eigene Gesundheit und die Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig? 

Kimi: Ich bin der Erste, der sich zum Thema „Rücken schonen“ meldet. Das ist mir sehr wichtig. Und dass wir einen guten Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit haben. Ich sehe das auf der Arbeit viel, dass Leute von Burn-out betroffen sind. Das möchte ich für mich nicht.

Noah: Mir ist wichtig, die körperliche Anstrengung zu minimieren. Da wird schon viel gemacht durch Schulungen und kleine Hilfsmittel. Was auch ein Riesenthema ist, auf das nicht so viel eingegangen wird, ist die psychische Gesundheit. Deshalb haben wir uns damit in unserem Projekt für den Nachwuchspreis befasst. Psychische Belastungen tauchen in jedem Team auf. Wir rutschen schnell da rein, zu viel zu arbeiten und uns zu überarbeiten. Und wenn was mit der Psyche nicht stimmt, dann stimmt gar nichts. Man muss darauf achten, dass man mit anderen redet und das nicht hinten runterfällt. 

Hilfsmittel sind immer das Beste, was uns passieren kann und uns den Alltag im Beruf erleichtert.

Noah Weber
angehender Pflegefachmann

Was bedeutet für euch ein „gesunder und sicherer Arbeitsplatz“?

Kimi: Der bedeutet für uns viel. Wir sind die, die Probleme mit dem Rücken bekommen, nicht die Chefetage. Deshalb ist es wichtig, die Leute zu schulen und ihnen Unterstützung zu geben, damit sie ihre Gesundheit bewahren können: höhenverstellbare Betten, kleine Hilfsmittel, Schulungen für eine gesunde Psyche und einen starken Rücken. 

Noah: Hilfsmittel sind immer das Beste, was uns passieren kann und uns den Alltag im Beruf erleichtert. Wichtig sind auch Gespräche mit den Personalabteilungen und dem Pflegemanagement, um die eigene Gesundheit zu erhalten.  

Hattet ihr schon selbst mal gesundheitliche Probleme im Arbeitszusammenhang oder habt das bei Kolleginnen und Kollegen erlebt? 

Kimi: Ich bin mit einem vorgeschädigten Rücken in den Beruf gekommen. Ich habe schon seit der Schule damit Probleme. Außerdem hatte ich Hautprobleme: Das Sterillium hat nicht zu mir gepasst, jetzt habe ich ein eigenes. 

Wie hast du da Unterstützung erlebt, im Team, vom Arbeitgeber, von außen?

Kimi: Vom Team wurde ich immer unterstützt. Mir wurde immer gesagt: Schau auf deinen Rücken, den brauchst du noch ein paar Jahre. Die Schule schaut da auch sehr drauf und hat uns schon zweimal Rückenkurse ermöglicht. Das ist wirklich Gold wert.

Noah: Es wird auch von außen auf unsere Gesundheit geachtet, da wir vom Personal so knapp sind. Dadurch, dass wir uns die Hände super oft desinfizieren müssen, kämpfen wir immer mit der Haut. Es wird immer wieder Handcreme bestellt oder geschaut, dass anderes Desinfektionsmittel da ist und immer darauf geachtet, dass Hilfsmittel da sind. Das Team sagt auch immer wieder: Rede mit uns, wenn was nicht passt.

Wurde bei euch in der Ausbildung das Thema „Gesundheit im Beruf/am Arbeitsplatz“ schon thematisiert?

Noah: Ja und auch sehr groß, einfach weil es so ein wichtiges Thema ist. Es wird viel über die psychische und körperliche Gesundheit gesprochen. Wir bekommen unter anderem Tipps und Tricks für den Rücken. Auch die Schulen wissen, dass es wichtig ist, auf die Gesundheit im Beruf zu achten. Sie haben Erfahrungen aus der Praxis, wissen, wo die Probleme liegen und wie man sie vermeiden kann.

Was meint ihr, was ist besonders bei eurer Tätigkeit wichtig in Bezug auf die Gesundheit im Berufsleben?

Noah: Zu wissen, was man machen kann. Wenn ich nicht weiß, wie ich mit meinen Problemen umgehen soll, dann kann ich mir selbst nicht helfen und nicht auf mich achten. Ich muss auch auf die Kolleginnen und Kollegen und wie es ihnen geht schauen, ob ich ihnen helfen kann, denn so bekommt man auch Hilfe zurück.

Kimi: Wenn man etwas in Bezug auf die eigene Gesundheit falsch oder richtig machen will, muss man das mit sich selbst vereinbaren. Das ist ganz entscheidend. Das hat nichts mit anderen zu tun.

 

Ihr habt 2023 den BGW-Nachwuchspreis für euer Konzept „Color us Healthy“ bekommen. Was steckt dahinter?

Noah: Die Idee, dass die Pflege vielfältig ist und genau das gefördert werden muss, damit man gesund bleibt. In unserem Kurs sind alle komplett unterschiedlich: Herkunft, Sitten, Aussehen, wir sind alle vielfältig. Wenn das nicht gefördert wird, dann macht es einen unglücklich, privat und auf der Arbeit. 

Kimi: Ein großer Teil unseres Konzeptes ist der Umgang mit LGBTQ* in der Pflege. Es gibt viele Stigmatisierungen und wir wollten für das Krankenhaus einfache Regelungen und Ideen finden. Zum Beispiel beim Aufnahmefragebogen: Da gibt es ein Feld mit „männlich“, „weiblich“ und „divers“. Das reicht aber nicht aus. Man kann einfach ein Freitextfeld machen.  

Werden Maßnahmen, die ihr in dem Projekt entwickelt habt, schon umgesetzt?

Noah: Wir hatten in unserem Video viele Ideen, zum Beispiel kleine Symbole im Eingangsbereich anzubringen. In unserer Schule, die zum Krankenhaus gehört, hängt jetzt ein kleines Regenbogenherz. Das zeigt: „Hier werde ich akzeptiert und gehöre dazu“. Im Krankenhaus sieht man auf den Namensschildern immer mehr kleine Symbole, mit denen die Leute zeigen, dass sie andere akzeptieren. 

Ich möchte sie nicht missen, all die Leute, egal, woher sie kommen oder wer sie sind. Diese Vielfalt macht die Pflege einfach aus.

Noah Weber
angehender Pflegefachmann

Was bedeutet für euch Diversität in der Pflege und warum ist das Thema wichtig?

Noah: Pflege ist Diversität. Ohne die Vielfalt an Herkunft und Ähnlichem würden im Endeffekt nur die Hälfte aller Pflegekräfte in Deutschland arbeiten. Ich möchte sie nicht missen, all die Leute, egal, woher sie kommen oder wer sie sind. Diese Vielfalt macht die Pflege einfach aus. 

Kimi: Ich stimme da vollkommen zu: Die Pflege ist divers. Hätten wir nicht so viele „ausländische“ Mitarbeitende, könnten wir nicht so gut arbeiten, wie wir es tun. Es ist wichtig, dass die Leute ihre Anerkennung bekommen. Die Pflege ist nicht eintönig, man arbeitet ja auch mit jeder Patientenklientel, die es gibt.

Ist es auch für die Patientinnen und Patienten wichtig, Vielfalt zu zeigen und dass alle Menschen akzeptiert werden, egal, wer sie sind? 

Kimi: Wir haben viele ältere Patientinnen und Patienten, die viel in Stereotypen denken. Da ist es gut, ihnen die Vielfalt zu zeigen, damit sie aus diesen Stereotypen herauskommen. 

Noah: Ich finde es auch genau dann wichtig, wenn man Patientinnen und Patienten hat, die nicht den Stereotypen entsprechen. Zum Beispiel, wenn wir einen Transmann auf der Station haben, dann ist es wichtig, zu zeigen: Wir akzeptieren dich und machen das Beste möglich. Damit jeder sich einfach bei uns wohlfühlt. Der Mensch steht immer im Vordergrund.

Was ist euer Tipp für andere Auszubildende und Berufseinsteigende, um im Beruf gesund zu bleiben? 

Noah: Für alles offenzubleiben, das kommt und nicht davor zurückzuschrecken, nachzufragen. Es einfach anzusprechen, wenn man merkt: Ich brauche Zeit oder Hilfe. 

Kimi: Man muss etwas Mut mitbringen, um in den Beruf zu gehen. Man sollte offen für alles sein, was er bietet und mit einem offenen Herzen hineingehen.