"Bei jeder Geburt wird auch eine Mutter geboren" 

Rika von der Heide studiert im 6. Semester Hebammenwissenschaft an der Universität Rostock. Wie es sich anfühlt, eine Geburt zu begleiten und wie Hebammen ihre Gesundheit bei der Arbeit schützen können, erzählt die 23-Jährige im Gespräch mit „BGW young“. 


Porträt von Rika von der Heide: junge Frau dunklen Haar. Sie schaut lächelnd in die Kamera.

Rika von der Heide, 23, studiert in Rostock Hebammenwissenschaft.

Was gefällt dir an deinem Beruf oder deinem Studium? 

Rika von der Heide: Ganz allgemein die Arbeit mit Frauen und Schwangeren. Ich finde es schön, eine begleitende Person und Vertrauensperson für sie zu sein und eine ganze Familie in dieser besonderen Zeit zu betreuen und zu unterstützen. Es gibt einem sehr viel zurück. Dadurch, dass sich der Beruf mitten im Leben abspielt, habe ich das Gefühl, dass ich etwas ganz Wichtiges und Sinnvolles mache: Ich bin Teil der Gesellschaft und trage dazu bei, sie positiv zu verändern. 

Warum hast du dich entschieden, Hebamme zu werden?

Ich hatte direkt das Gefühl, dass es das ist, was ich machen möchte. Und das hat sich seitdem nicht verändert. Ich habe mich vorab viel in das Thema eingelesen. Hebammen sind für mich sehr coole Frauen. Es klang nach einem sehr erfüllenden Beruf und ich nehme ihn auch so wahr. Mir war auch der soziale Aspekt, immer mit Menschen in Kontakt zu sein, sehr wichtig. 

Wie stellst du dir deine berufliche Zukunft vor?

Ich sehe mich erstmal als angestellte Hebamme in einer Klinik. Ich möchte weiterhin in der Geburtshilfe im Kreißsaal arbeiten, gern in einem größeren. Ich möchte mehr sehen, mehr Routine bekommen. 

Worauf freust du dich besonders?

Ich freue mich ganz doll darauf, eigenständig zu arbeiten, mir meine eigene Arbeitsmoral aufzubauen und Personen so zu begleiten, wie ich es genau für sie am besten und passendsten finde und dafür auch die Verantwortung zu tragen. Gerade im Studium sind wir noch sehr abhängig von anderen. Wir müssen für das Studium eine gewisse Anzahl an Geburten begleiten, aber wir arbeiten dabei immer mit einer ausgebildeten Hebamme zusammen, die zum größten Teil die Verantwortung trägt.

Erzähle uns doch ein bisschen, was in deinem Beruf wichtig ist. Mit welchen Menschen, Themen, Aufgaben hast du zu tun?

Als Hebamme begleite ich Familien vom Kinderwunsch bis zur und durch die Schwangerschaft, während der Geburt, im Wochenbett und in der Stillzeit. Die Aufgabe ist, ganzheitlich auf diese Familien zu schauen und sie in der jeweiligen Situation zu beraten. Im Gegensatz zu Ärzten, die vor allem im Krankheitsfall bereuen und unterstützen, sind Hebammen dafür da, die Gesundheit zu fördern. Und nicht nur, wenn jemand krank ist zu heilen, sondern gesunde Menschen zu unterstützen, gesund zu bleiben. Das bedeutet hier ganzheitliche Betreuung.

Hebammen kennen sich unter anderem besonders gut mit Veränderungen in der Schwangerschaft aus, mit Schmerzlinderung unter der Geburt und sind Vertrauenspersonen für die Schwangerschaft. Da bei jeder Geburt auch eine Mutter geboren wird, ist es besonders wichtig, im Wochenbett beratend da zu sein: Man muss ein offenes Ohr haben und Fragen beantworten. Wir unterstützen bis zum Ende der Stillzeit unter anderem bei der Pflege des Neugeborenen und des Säuglings. 

Man ist zusammen mit der Gebärenden wie in einer Blase und wir durchleben gemeinsam einen besonderen Moment.

Rika von der Heide
angehende Hebamme

Was macht dir besonders viel Spaß?

Das Adrenalin, das ich während der Geburt verspüre. Man ist zusammen mit der Gebärenden wie in einer Blase und wir durchleben gemeinsam einen besonderen Moment. Das fühlt sich an wie ein großes Abenteuer, das wir zusammen meistern – natürlich vor allem die Gebärende, die dabei unterstützt wird. 

Die Geburtsbegleitung ist immer sehr beeindruckend. Was für eine Kraft in einer Frau steckt, ist einfach ganz besonders. Dieser Moment ist total magisch. Der Wechsel von einer Schwangeren hin zu einer Mutter, die vor einem steht, mit ihrem Kind im Arm. Der Moment, wenn die Mutter das erste Mal ihr Kind auf ihrer Brust hat, das ist total berührend, wie die Mutter nur auf das Kind fokussiert ist. Da ist eine Einheit, das ist wirklich zu spüren. Wunderschön. 

Welchen Herausforderungen bist du schon begegnet?

Ich habe natürlich sehr viel Verantwortung, es geht um Menschenleben, egal in welchem Prozess, von schwanger bis Wochenbett. Da gibt es verschiedene Herausforderungen wie Partnerkonflikte, die neu entstanden sind. Notfälle unter der Geburt, bei denen man im Team gut zusammenarbeiten muss. Im Wochenbett gibt es oft Schwierigkeiten, da läuft es nicht immer so, wie man es sich wünscht. Ich komme durchaus auch an meine Grenzen und es ist wichtig zu wissen, wie man sich dann helfen kann.

Was ist dir in Hinblick auf deine eigene Gesundheit wichtig?

An erster Stelle ist mir wichtig, gesund zu bleiben, und immer die Möglichkeit zu haben, die eigene Gesundheit aktiv zu gestalten. Immer die Zeit zu haben, mich zu bewegen und gesund zu kochen. Dass ich psychisch immer gut drauf bin und Unterstützung in meinem Umfeld habe. Das ist wichtig, um über Erlebtes und Belastendes zu sprechen, soweit es möglich ist.

Mein Rücken muss meine gesamte Berufslaufbahn gesund bleiben. Wenn ich jetzt nicht damit anfange, auf ihn aufzupassen, ist es zu spät.

Rika von der Heide
angehende Hebamme

Was fällt dir zum Thema Gesundheit im Berufsleben, am Arbeitsplatz ein?

Was ich am meisten bei der Arbeit höre ist, dass ich rückenschonend arbeiten muss. Da ich relativ groß bin, versuche ich immer, mich an die anderen anzupassen, aber da werde ich immer ermahnt, denn mein Rücken muss meine gesamte Berufslaufbahn gesund bleiben. Wenn ich jetzt nicht damit anfange, auf ihn aufzupassen, ist es zu spät.

Für die psychische Gesundheit ist es wichtig, sich wirklich Pausen zu nehmen und dass man privat und beruflich ausreichend Unterstützung hat. Man erlebt besondere Situationen und schlimme Notfälle und da sind etwa Nachbesprechungen mit Ansprechpersonen wie Praxisanleiterinnen wichtig, um zu reflektieren, damit man weiß, was man das nächste Mal anders macht und was man gut gemacht hat. Mir hilft es zudem besonders, mich mit meinen Kommilitoninnen auszutauschen, um unter anderem mit Herausforderungen umzugehen. Wir sind alle in der gleichen Situation und können Erlebnisse nachvollziehen und nachfühlen.

Was bedeutet für dich ein „gesunder und sicherer Arbeitsplatz“?

Dass ich weiß, ich gehe zur Arbeit und dort ist es sicher. Dass ich regelmäßig geschult werde und meine eigene Gesundheit während der Arbeit fördern kann. Dass ich weiß, wenn ich zur Arbeit gehe, dass ich gesund wieder nach Hause komme.  

Hattest du selbst schon mal gesundheitliche Probleme im Arbeitszusammenhang?

Ich noch nicht. Ich habe von Menschen gehört, die Burn-out hatten oder sich bei der Arbeit durch Nadelstiche verletzt haben. Da war auf jeden Fall klar, dass die Person sofort zum Arzt muss. Dort hat sie dann die HIV-Profilaxe erhalten. Das wurde im Team sehr ernst genommen. 

Wurde bei dir im Studium „Gesundheit im Beruf/am Arbeitsplatz“ schon thematisiert?

Es wird ab und zu thematisiert, aber nicht viel. Wir haben kein Extrafach dafür. Es kommt eher beim Thema Erfahrungsberichte durch, wenn Hebammen, die schon länger im Beruf arbeiten, davon erzählen, wie man arbeiten soll, damit man gesund bleibt. Ich fände es schon gut, wenn das mehr in den Fokus kommt. Wir wollen lange als Hebammen arbeiten, und dafür ist unsere Gesundheit besonders wichtig. 

Was meinst du, was ist bei deiner Tätigkeit besonders wichtig in Bezug auf die Gesundheit im Berufsleben?

Die psychische Gesundheit ist am allerwichtigsten, da viele Hebammen sich viel vornehmen, die Bezahlung nicht gut ist und sie deshalb viel arbeiten müssen. Sie kümmern sich vor allem um andere und vergessen sich dabei selbst. 
Durch die vielen Hausbesuche und Fahrten muss man darauf achten, dass man sich ausreichend bewegt. Man muss auf Hygiene achten und rückenschonendes Arbeiten, etwa beim Tragen von Neugeborenen und dem Umlagern von Personen.

Was ist dein Tipp für andere Auszubildende und Berufseisteigerinnen und Berufseinsteiger, um im Beruf gesund zu bleiben?

Ich möchte ihnen mitgeben, dass sie nicht nur Hebammenstudierende sind, sondern dass sie auch ihr eigenes privates Leben im Fokus behalten müssen und sich Pausen gönnen. Außerdem sollte man sich oft darüber informieren, wie man sicher arbeitet und sich wirklich daranhalten.